Video-Lokalisierung oder -Internationalisierung?
Oldrich Kraus
Die Vorteile von Videos liegen heutzutage klar auf der Hand und müssen nicht extra beworben werden. Videos sind in unserem täglichen Leben omnipräsent und nicht mehr wegzudenken. Verschiedene Arten von Displays begegnen uns überall und natürlich wandert unsere Aufmerksamkeit ganz automatisch zu den „bewegten Bildern“: den Videos. Aber das ist natürlich nicht der einzige Vorteil von Videos. Es gilt die weitverbreitete Annahme, dass wir uns nur 10 % von dem, was wir lesen, merken, aber 50 % von dem, was wir sehen und hören. Selbst wenn diese Zahlen nicht der Realität entsprechen, sondern dies nur ein alter Mythos ist, der mit der Zeit immer wieder weitergegeben wurde, so bleibt es dennoch eine Tatsache, dass Videos es schaffen, uns zu fesseln und stärkere Eindrücke zu hinterlassen, die länger haften bleiben, als es Texte oder Bilder je schaffen würden. Sie sind noch nicht überzeugt? Scrollen Sie doch einmal durch einen beliebigen Social Media Feed, der sowohl Status-Updates in Textform als auch Bilder und Videos enthält. Wie oft halten Sie an, um einen Post zu lesen, der nur aus Text besteht, und wie oft, um einen Beitrag mit Bildern oder Videos anzusehen? Gehören Sie zur Mehrheit der Menschen, scrollen Sie in der Regel durch die Bilder, halten an, um sich Videos anzusehen, und ignorieren den geschriebenen Text.
Mit den Fortschritten im Technologiebereich ist es heute viel einfacher, Videos zu erstellen und auch Videos als Kommunikationsmittel erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Wenn Sie mehr Aufmerksamkeit erregen oder Informationen effektiver vermitteln wollen, ist der Einsatz von Videos mehr als nur empfehlenswert. Zudem spielen Videos heutzutage aufgrund der vermehrten Arbeit aus dem Homeoffice, verschiedener sozialer und physischer Einschränkungen und durch die Möglichkeiten der modernen Technologie sogar eine noch größere Rolle in unserem Leben.
Ich würde es sogar fast als scheinheilig von mir bezeichnen, in diesem Artikel kein tolles Video mit Voiceover, Untertiteln, diversen Charts etc. einzufügen – aber nun gut.
Entweder man macht etwas gut oder eben nicht. Entweder man schafft ein gutes Produkt oder eben nicht. Und genau das gilt auch für Videos. Ganz besonders dann, wenn Sie Ihre Präsenz in anderen Ländern vergrößern möchten (warum würden Sie sich sonst diesen Artikel hier durchlesen…), benötigen Sie nicht nur ein Video, sondern ein Video pro Sprachvariante.
Viele Unternehmen begehen beim Thema Video die gleichen Fehler wie zum Beispiel in der Fertigung, bei digitalen Inhalten oder bei Marketing-Strategien: Sie entwickeln ein Produkt oder eine Geschäftsstrategie für den einen Markt, ohne dabei an die zukünftige Expansion oder Adaption hinsichtlich fremder Märkte zu denken. Bei der Lokalisierung digitaler Inhalte für bestimmte Zielmärkte werden besagte Inhalte quasi neu erstellt. Hier kommen dann die ganzen tollen Begriffe wie Transkreation, Adaption und Suchmaschinenoptimierung für jede Zielsprache ins Spiel. Wenn das Original aber ohne Fokus auf zukünftige Adaptionen für fremde Märkte entwickelt wird, ist die Gefahr groß, bei der späteren Adaption auf verschiedene Probleme zu stoßen. Um es vereinfacht zu sagen: Die Kosten dafür werden erheblich höher ausfallen. Und das trifft ganz besonders auf die Videos zu.
Sie vermuten es vielleicht schon und auch unsere Erfahrung zeigt uns, dass die Mehrheit der Unternehmen ihre Inhalte noch immer nur für eine bestimmte Sprache/Sprachvariante erstellt und letzten Endes für die Adaption in andere Sprachen wesentlich tiefer in die Tasche greifen muss.
Woran sollten Sie also bei der Erstellung von Videos denken, die Sie auf lange Sicht in verschiedene Sprachen lokalisieren lassen möchten?
Die beste Option für Sie könnte zum Beispiel die Zusammenarbeit mit einem Lokalisierungspartner sein, bevor Sie mit der Erstellung der Inhalte beginnen, damit dieser Sie bei der Entwicklung und der zukünftigen Strategie beraten kann. Oder vielleicht sogar die Zusammenarbeit mit einem Dienstleister, der sich um mehr als „nur“ die Lokalisierung Ihrer Inhalte kümmert, nämlich um die Förderung der Bekanntheit auf den Zielmärkten, die Pflege Ihrer Websites, die stetige Suchmaschinenoptimierung und vielleicht sogar um die Content-Erstellung für und Abwicklung von Kampagnen in den Sozialen Medien. Aber ich schweife ab… beenden wir diesen Artikel doch am besten mit ein paar simplen Hinweisen, die Sie bei der Erstellung von Videos für ein internationales Publikum im Hinterkopf behalten sollten.
Content:
- Erstellen Sie Content, der international relevant ist, achten Sie dabei auf kulturelle Gegebenheiten und lösen Sie sich von regionalen Referenzen und Informationen, die nur auf bestimmte Märkte zutreffen.
Verwenden Sie zum Beispiel als Referenz zur Größenordnung allgemeine und international bekannte Beispiele wie Fußballstadien statt regionale Beispiele wie den Lumphini Park. Der Lumphini Park ist den meisten Menschen in Südostasien bestimmt ein Begriff, jedoch können die Menschen, die in anderen Regionen der Welt leben, damit vermutlich nichts anfangen.
- Lassen Sie den Text bei der Aufnahme für Videos langsamer einsprechen, damit die Untertitel später leichter zu lesen sind und planen Sie ausreichend Platz für deren Übersetzung und für die Länge der Aufnahmen in den anderen Sprachen ein. Länge und Geschwindigkeit unterscheiden sich von Sprache zu Sprache und Englisch gehört dabei zu den schnellsten Sprachen. So können Sie zum Beispiel in einer Sprache mit Leichtigkeit 200 Wörter pro Minute sprechen, während Sie in einer anderen Sprache nur mit Mühe und Not 120 Wörter pro Minute unterbringen. Und selbst wenn es so aussieht, als hätte ein Text in verschiedenen Sprachen die gleiche Länge, so kann sich dennoch die Länge des gesprochenen Textes erheblich unterscheiden.
- Verzichten Sie auf übermäßig viele visuelle Darstellungen bzw. die Platzierung von wichtigen Darstellungen im unteren Drittel der Bildfläche, damit genügend Platz für die Untertitel bleibt.
- Verzichten Sie wenn möglich darauf, die Sprecher im Video zu zeigen, damit die lokalisierte Tonspur nicht an die Bewegungen der Lippen des Sprechers angepasst werden muss. Dadurch sparen Sie sich zusätzlichen Aufwand bei der Lokalisierung und vermeiden potentielle Fehler oder Sinnverlust (siehe Punkt 2 oben).
Format:
Das Format ist genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger, als der Content. Aus Erfahrung können wir leider sagen, dass sich hier die meisten Stolperfallen und Extrakosten verstecken.
Oft wissen die Zuständigen nicht einmal von der Existenz der Original-Videodateien, vom optimalen Dateiformat ganz zu schweigen. Um es ganz einfach zusammenzufassen: Möchten Sie den im Video dargestellten Text ändern oder Elemente im Video für eine bestimmte Zielgruppe ändern oder ganz entfernen, dann benötigt Ihr Video unterschiedliche Ebenen. Das gilt zum Beispiel für Objekte in animierten Videos, Kameraaufnahmen, Textfelder sowie der darin enthaltene Text und verschiedene überlappende Bilder wie z. B. Logos – alles sollte separat behandelt werden. Jedes Element ist eine separate, editierbare Ebene. Zudem benötigen Sie verschiedene Support-Dateien wie die Schriftarten für den verwendeten Text usw.
All diese Inhalte werden dann während des Renderings vereint und am Ende entsteht das finale Video. Diese Videos sind fertig für die Veröffentlichung und sind in der Regel im MP4- oder AVI-Format. Die Bearbeitung dieser Videos ist nicht einfach, da sie zum Beispiel keine einzelnen Textebenen mehr enthalten. Nehmen wir einfach mal an, Sie beauftragen die Erstellung animierter Videos mit eingeblendeten Texten, Pop-Up-Sprechblasen, eingebrannten Untertiteln und rotierenden Logos in den Ecken der Bildfläche. Der Dienstleister liefert Ihnen eine MP4-Datei, alles funktioniert reibungslos und Sie sind zufrieden. Aber dann möchten Sie einige Textstellen im Video ändern und der Dienstleister ist wie von der Bildfläche verschwunden. Jetzt haben Sie ein Problem. Denn wenn Sie nur die MP4-Datei zur Verfügung haben, können Sie nicht einmal die Untertitel ohne Weiteres ändern, die Teil der einzigen Ebene des MP4-Videos sind.
Hier sind noch ein paar Tipps für Sie:
- Erstellen Sie Ihre Videos in einer Software zur Videobearbeitung (After Effects, Premiere, Final Cut etc.) und pflegen Sie den Text der übersetzt werden soll in einem editierbaren Format in die einzelnen Textebenen ein. Organisieren Sie die Ebenen nach bewährten Vorgehensweisen: Vermeiden Sie unnötiges Duplizieren, denn das bläht Ihr Videoprojekt nur zusätzlich auf und speichern Sie alle Dateien an einem Ort. Verweisen Sie nicht auf interne Online-Speicherorte, denn Ihr Sprachdienstleister hat darauf keinen Zugriff und am Ende fehlen ihm wichtige Dateien für seine Arbeit.
- Verwenden Sie wenn möglich Schriftarten, die in allen Sprachen angewendet werden können, wie z. B. Arial Unicode. Ein Lokalisierungspartner unterstützt Sie bei der Auswahl der richtigen Schriftarten für Ihre Zielsprachen.
- Wenn Sie das Video zur Lokalisierung versenden, denken Sie daran, ALLE Dateien, die für das Projekt benötigt werden, mitzuschicken: Bei Adobe After Effects zum Beispiel die Projektdatei (.aep), alle Aufnahmen, Schriften und Grafiken etc.
- Bewahren Sie das Audio-Skript gemeinsam mit dem Video auf und stellen Sie beides gemeinsam mit anderen nützlichen Materialien wie z. B. Untertitel-Dateien mit Zeitstempeln für die Lokalisierung zur Verfügung.
Sie können sich gar nicht vorstellen, wie oft die Transkription für etwas angefragt wird, für das irgendwann einmal ein Skript vorlag, das aber auf mysteriöse Art und Weise verloren gegangen ist. Oder wie viele Stunden weltweit dafür aufgebracht werden, schlecht formatierte Videos zu bearbeiten oder nach verloren gegangenen Video-Assets zu suchen.